Der Verstand als Werkzeug: Nutzen uns Risiken

Der Verstand ist gleichermaßen ein Werkzeug, dass uns die Möglichkeit gibt zu verstehen, dass das Schlechte, das uns passiert einfach dazugehört und nicht von Dauer sein wird, sowie eines das uns behütet zu vergessen, dass, auch wenn es uns gut geht, wir jederzeit einen Dämpfer erhalten können. Unerwartete Wendungen, in unerwünschte Richtungen, in all ihren Facetten. 

Der Verstand ist also eine weitere Ebene des Erlebens, die uns erlaubt Abstand von den Dingen zu nehmen. So ermöglichen wir uns eine gewisse Neutralität, aber in allen Fällen eine gewisse Abschwächung des Erlebten.

Aber, und hier liegt das Problem, auch kann der Verstand übermäßig verwendet werden und uns so daran hindern, völlig im Moment zu leben und unser Glück zu genießen.

Dieser Missstand ist beinahe in allen Denkschulen bekannt und daher ein entsprechendes Thema. Jedoch sind die gezogenen Schlüsse, wenngleich meist im Grunde ähnlich, unterschiedlich.

Nehmen wir den Buddhismus und den Stoizismus als Beispiel.

Der Buddhismus betrachtet den Verstand als ein mächtiges Instrument, das sowohl zur Quelle des Leidens als auch des Glücks werden kann. Aus buddhistischer Sicht entsteht Leiden durch das Anhaften an Dinge, Personen oder Konzepte und die Unfähigkeit, die Vergänglichkeit alles Existierenden zu akzeptieren. Der Verstand spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess, da er die Tendenz hat, sich an angenehme Erfahrungen klammern zu wollen und unangenehme zu meiden. Aber auch das Befürchten von schlechtem, ist Thema.

Der Stoizismus hingegen sieht den Verstand als das zentrale Werkzeug, um zwischen dem zu unterscheiden, was in unserer Macht steht und dem, was außerhalb unserer Kontrolle liegt. Die Stoiker betonen, dass Glück und Leid nicht von äußeren Ereignissen abhängen, sondern von der Art und Weise, wie wir diese interpretieren und darauf reagieren. Durch die Übung der Vernunft und die Anwendung der vier Kardinaltugenden – Weisheit, Gerechtigkeit, Mut und Mäßigung – streben Stoiker danach, ihre Wahrnehmung so zu schulen, dass sie auf Ereignisse in einer Weise reagieren, die ihrem inneren Frieden und ihrer Tugendhaftigkeit zuträglich ist. Sie akzeptieren Leid als Teil des Lebens und sehen darin eine Gelegenheit zur persönlichen Entwicklung und zur Übung der Tugend.

In beiden Denkschulen wird also der Verstand als ein Schlüsselwerkzeug betrachtet, nicht nur um Leid zu mindern, sondern auch um ein tieferes Glück und Zufriedenheit zu erreichen. Die Herausforderung besteht darin, den Verstand so zu kultivieren und zu nutzen, dass er uns dient, ohne dass wir von ihm beherrscht werden.

Wie also schaffen wir es unseren Verstand so zu verwenden, dass er uns nützlich ist?

Auch hier findet sich in nahezu jeder Denkschule ein entsprechender Ansatz, wie wir an unseren beiden Beispielen sehen können:

Der Buddhismus schlägt vor, durch regelmäßige Meditations- und Achtsamkeitspraxis eine Beobachterperspektive gegenüber unseren eigenen Gedanken und Gefühlen einzunehmen. Indem wir lernen, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und unsere automatischen Reaktionen auf Ereignisse zu erkennen, können wir beginnen, bewusstere Entscheidungen zu treffen, die zu echtem Glück führen. Besonders im Zen-Buddhismus finden sich viele Achtsamkeitspraktiken und Meditation welche wohl der wesentlichste Pfeiler dieser fernöstlichen Philosophien sind. In diesem Artikel erfährst du mehr darüber (und ob der Zen-Buddhismus für uns im Westen überhaupt geeignet ist).

Der Stoizismus empfiehlt, durch philosophische Reflexion und tägliche Übung eine mentale Haltung zu entwickeln, die uns erlaubt, mit den Unwägbarkeiten des Lebens gelassener umzugehen. Dies beinhaltet die Praxis der Selbstreflexion, das Führen eines Tagebuchs über unsere Fortschritte in der Tugendhaftigkeit und das bewusste Bemühen, unsere Reaktionen auf äußere Ereignisse zu kontrollieren.

Während der Buddhismus den Lösungsansatz verfolgt, vom Verstand Abstand zu nehmen – so wie der Verstand ursprünglich dazu verwendet wird Abstand vom Erlebten zu erlangen – geht der Stoizismus die Sache anders an. Er versucht den Verstand zu trainieren, statt ihn zu beruhigen beziehungsweise Distanz zu ihm zu schaffen.

In beiden Fällen ist der Schlüssel zur nützlichen Anwendung unseres Verstandes die bewusste Arbeit an uns selbst – sei es durch Meditation, Achtsamkeit, philosophische Reflexion oder die Praxis der Tugend. Durch diese Praktiken können wir unseren Verstand so schulen, dass er uns hilft, das Leben in all seinen Facetten voller zu erleben, ohne dabei von den Höhen und Tiefen überwältigt zu werden.

Falls du noch mehr darüber lesen möchtest, wie du den Verstand daran hinderst, zu negativ zu denken oder Freude zu unterdrücken, findest du hier einen Artikel (das sich auf Heinz Erhardt bezieht).

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