Polynesische Konzepte in der westlichen Welt

Um die Wende zum 20. Jahrhundert entdeckten Ethnologen und Religionswissenschaftler interessante Konzepte bei verschiedenen Völkern in Ozeanien und Polynesien. Diese Völker hatten besondere Begriffe wie Mana und Tapu, die eng mit ihrem Verständnis von Religion und Alltag verknüpft sind.

Was ist Mana?

Mana ist ein Konzept, das oft als „Macht“ oder „Kraft“ übersetzt wird. Es ist eine unsichtbare, aber spürbare Energie, die in Menschen, Tieren, Pflanzen, Gegenständen oder Orten enthalten sein kann. Wenn du dir vorstellst, dass jemand besondere Fähigkeiten oder eine besondere Ausstrahlung hat, dann könnte man sagen, dass diese Person „Mana“ besitzt. Es gibt zum Beispiel Menschen, die durch ihre Fähigkeiten als Handwerker oder Heiler herausstechen – sie sind Träger von Mana.

Interessanterweise hat das Konzept von Mana seinen Weg in die Welt der Videospiele gefunden. Wenn du ein Gamer bist, hast du wahrscheinlich schon einmal Mana in einem Spiel verwendet. In vielen Rollenspielen (RPGs) und Fantasy-Spielen wird Mana als eine Art magische Energie dargestellt, die Charaktere für Zauber und spezielle Fähigkeiten nutzen können.

Zum Beispiel in Spielen wie „World of Warcraft“ oder „Final Fantasy“ nutzen Charaktere Mana, um mächtige Zauber zu wirken. Manchmal musst du Mana-Tränke finden oder spezielle Orte besuchen, um dein Mana aufzufüllen. Das Grundprinzip bleibt jedoch das gleiche: Mana ist eine wertvolle Ressource, die besondere Fähigkeiten ermöglicht.

Was ist Tapu?

Tapu, auch als „Tabu“ bekannt, ist das Gegenstück zu Mana. Es beschreibt Dinge, die besonders oder heilig sind und daher besonderen Respekt erfordern. Wenn etwas „tapu“ ist, darf es nicht von jedem berührt oder betreten werden. Denk daran, wie du dich in einer Kirche oder einem anderen heiligen Ort verhalten würdest – du bist respektvoll und vorsichtig. Das ist der Einfluss von Tapu.

Die Rolle von Tapu in der Gesellschaft

Tapu spielt eine zentrale Rolle im sozialen Gefüge der Maori-Gesellschaft. Es regelt das Verhalten und stellt sicher, dass Respekt und Ordnung gewahrt bleiben. Hier sind einige Beispiele, wie Tapu in verschiedenen Bereichen angewendet wird:

  • Heilige Orte und Objekte: Bestimmte Orte wie Marae (Versammlungsstätten), Urupā (Friedhöfe) und Berge können als tapu betrachtet werden. Ebenso können Objekte wie traditionelle Waffen, Werkzeuge oder Kleidung, die von Vorfahren getragen wurden, als heilig angesehen werden.
  • Menschen und soziale Rollen: Individuen können auch Tapu sein, insbesondere Häuptlinge (Rangatira) oder Personen mit besonderem Mana. Diese Menschen genießen besonderen Respekt und es gelten spezielle Regeln im Umgang mit ihnen.
  • Rituelle und spirituelle Praktiken: Bestimmte Rituale und Zeremonien sind tapu und erfordern spezifische Verhaltensweisen und Vorbereitungen. Dazu gehören Begräbnisse, Taufen und andere wichtige Lebensereignisse.

Ein praktisches Beispiel wäre Te Rerenga Wairua, auch bekannt als Cape Reinga, das du übrigens oben im Titelbild siehst. Es ist der nordwestlichste Punkt der Nordinsel Neuseelands und ein Ort von großer spiritueller Bedeutung für die Maori. Nach dem Glauben der Maori ist dies der Ort, an dem die Seelen der Verstorbenen ihre Reise in die spirituelle Welt antreten. Es wird geglaubt, dass die Wairua (Seelen) hier das Land verlassen und nach Hawaiki, der mythischen Heimat der Maori, zurückkehren.

An diesem heiligen Ort ist es verboten zu essen, da dies als respektlos gegenüber den Seelen der Verstorbenen angesehen wird, die ihre Reise antreten. Ein Tapu also. Das Verbot des Essens ist Teil der breiteren Praxis von Tapu, die Respekt und Achtsamkeit in heiligen Stätten sicherstellt. Besucher von Te Rerenga Wairua werden aufgefordert, diese Tradition zu respektieren, indem sie auf Essen verzichten und sich angemessen verhalten.

Tapu und der Schutz von Gemeinschaft und Umwelt

Tapu dient so auch dem Schutz der Gemeinschaft und der natürlichen Umwelt. Indem bestimmte Orte oder Ressourcen als tapu erklärt werden, können Übernutzung und Missbrauch verhindert werden. Dies fördert Nachhaltigkeit und den Erhalt von heiligen und ökologisch wichtigen Gebieten.

Ein Beispiel ist der Schutz von Fischgründen oder Wäldern durch das Aussprechen von Tapu, um die Regeneration von Ressourcen zu ermöglichen. Diese traditionellen Praktiken spiegeln ein tiefes Verständnis für ökologische Balance und Respekt für die Natur wider.

Das Zusammenspiel von Mana und Tapu

Stell dir vor, dass Mana und Tapu zwei Seiten derselben Medaille sind. Mana ist die besondere Kraft oder Fähigkeit, die jemanden oder etwas auszeichnet. Tapu ist die „Umfriedung“, die diesen besonderen Status schützt. Durch Tapu werden die Träger von Mana und ihre Fähigkeiten respektiert und vor der Alltäglichkeit geschützt. Es hilft, eine klare Grenze zwischen dem Heiligen und dem Profanen, also dem Alltäglichen, zu ziehen.

Bedeutung für die Religionswissenschaft

Für viele Forscher sind diese Begriffe ein Schlüssel zum Verständnis, wie sich Religion und das Alltagsleben in verschiedenen Kulturen entwickeln. Sie zeigen, dass es universelle Konzepte gibt, die in unterschiedlicher Form in vielen Gesellschaften auftreten. Wenn du also das nächste Mal über Religion oder spirituelle Konzepte nachdenkst, erinnere dich an Mana und Tapu – sie sind faszinierende Beispiele dafür, wie Menschen das Außergewöhnliche und Heilige erleben und schützen.

Diese Begriffe bieten spannende Einblicke in die Denkweise und das Leben der Menschen in Ozeanien und Polynesien und zeigen, dass der Respekt vor dem Außergewöhnlichen und Heiligen tief in der menschlichen Kultur verankert ist – ob in der realen Welt oder in der virtuellen Welt der Videospiele.

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