Alan Watts über Probleme der Moderne: Philosophen und Materialismus
Alan Watts war bekannt dafür, Kritik an diversen Umständen unserer Gesellschaft zu platzieren. In diesem Artikel geht es um Watts Ansicht, dass unsere Wahrnehmung von Materialismus falsch ist und moderne Philosophen einen wichtigen Aspekt der Philosophie vergessen haben.
Alan Watts machte deutlich, dass seine Meinung nach dem Begriff Materialismus falsch interpretiert würde. Tatsächlicher Materialismus setzt voraus, Dinge wertzuschätzen, wovon der moderne Mensch weit entfremdet sei.
Das Problem der modernen Philosophen sei gemäß Wattsm, dass sie Philosophie als gewöhnlichen Beruf betrachten würden und sich über Dinge wundern könnten.
Hier das Video, des gesamten Talks von Alan Watts zu diesem Thema. Ich empfehle es dir anzuschauen, bevor wir uns genauer damit beschäftigen, was er damit genau meinte (wenn du kein Englisch verstehst überspringe das Video einfach):
Sinngemäße Übersetzung
Schauen wir uns nun also den Monolog an. Ich habe mir erlaubt ihn mit einigen Kommentaren zu versehen um tiefere Bedeutungen und auch Bezüge etwas näher zu erläutern:
„Es ist äußerst plausibel geworden, dass diese Reise zwischen Entbindungsstation und Krematorium das ist, was es im Leben gibt.“
Alan Watts hat diese Metapher für das Leben ziemlich oft verwendet. Sie soll auf die Kürze und Einfachheit des Lebens hinweisen.
The more you know: Das berühmte Zitat von Alan Watts „Ich bin das, was zwischen der Entbindungsstation und dem Krematorium passiert“, stammt laut Alan Watts übrigens nicht von ihm, sondern von Pater Maskell. |
„Und wir haben immer noch, wenn wir in unseren gesunden Menschenverstand gehen, den Mythos des neunzehnten Jahrhunderts, der den Keramikmythos in der westlichen Geschichte abgelöst hat.“
Hier bezieht er sich auf die Vorstellung der westlichen Kulturen, dass Gott ein Schöpfer oder eine Art Architekt ist, der das Universum nach einem Plan erschaffen hat. Aber dieses Bild wurde anscheinend durch ein neues Konzept überwunden:
„Ich nenne es den Mythos des vollautomatischen Modells:
Der Mensch ist ein kleiner Keim, der auf einer unbedeutenden Gesteinskugel lebt, die sich um einen unbedeutenden Stern dreht, am äußeren Rand einer der kleineren Galaxien.„
Dieser Begriff und diese Beschreibung weisen auf das Konzept hin, dass das Leben durch eine lange Kette von Zufällen entstanden ist. Diese Konzept löse den Gedanken des Kreationismus ab.
„Aber andererseits, wenn man ein paar Minuten darüber nachdenkt, bin ich absolut erstaunt, mich auf dieser Felsenkugel zu entdecken. Ein kugelförmiges Feuer rotiert. Es ist eine sehr merkwürdige Situation.
Und je mehr ich die Dinge betrachte, werde ich das Gefühl nicht los, dass die Existenz ziemlich seltsam ist.„
Hier macht Alan Watts deutlich, dass er diesen Gedanken als faszinierend betrachtet und leitet das Staunen über unwahrscheinliche Wunder ein, welches im weiteren Verlauf dieses Monologs relevant wird.
Ich weiß, dass… ein Philosoph ist eine Art intellektueller Tölpel, der sich über Dinge lustig macht, die für vernünftige Menschen selbstverständlich sind. Und für vernünftige Menschen ist die Existenz einfach gar nichts. Sie ist nur normal. «Mach weiter und tu was.»
Und siehst du: das ist die aktuelle Bewegung in der Philosophie. Die logische Analyse sagt, dass du nicht über die Existenz nachdenken darfst. Es ist ein sinnloses Konzept. Deshalb ist die Philosophie zur Diskussion von Belanglosigkeiten geworden. Kein guter Philosoph liegt nachts wach und macht sich Gedanken über das Schicksal des Menschen und die Natur Gottes und all diese Dinge.
Denn ein Philosoph ist heute ein praktischer Kerl, der um 9:00 Uhr mit einer Aktentasche in die Universität kommt und um 17:00 Uhr wieder geht.
Alan Watts hat in seinen Werken und Lektionen häufig bemängelt, dass der Mensch sich immer mehr dahingehend entwickelt, dass dieser Leidenschaften häufig in Job-Formen presst in denen die Begeisterung an der Sache selbst, vom tristen Alltagstrott und dem Geldverdienen verdrängt würde.
Tagsüber beschäftigt er sich mit Philosophie, d.h. er diskutiert darüber, ob bestimmte Sätze einen Sinn haben und wenn ja, welchen. Und dann würde er – wie William Earl in einem sehr lustigen Essay sagte – im weißen Kittel zur Arbeit kommen, wenn er meinte damit durchzukommen.
Das Problem ist, dass er seinen Sinn für Wunder verloren hat. Wunder ist wie in der modernen Philosophie etwas, das man nicht haben darf. Es ist wie mit der Begeisterung im England des 18. Jahrhunderts. In einer sehr schlechten Form.“
Im England des 18ten Jahrhunderts war im Zuge des Bürgerkrieges der Begriff „Enthusiasmus“ ein Schimpfwort, mit dem religiöse Andersdenkende als gefährlich und fanatisch diskreditiert wurden. Das Tabooisieren des Staunen und Sich-wundern in der Philosophie vergleicht Watts mit dem des Enthusiasmus.
„Aber du siehst, ich weiß nicht, welche Frage ich stellen soll, wenn ich mich über das Universum wundere. Es ist keine Frage, über die ich mich wundere, sondern es ist das Gefühl, das ich habe. Denn ich kann die Frage, die mein Staunen ist, nicht formulieren.
In dem Moment, in dem ich den Mund öffne, um sie auszusprechen, merke ich plötzlich, dass ich Unsinn rede. Aber das sollte nicht verhindern, dass das Staunen die Grundlage der Philosophie ist.“
Diese Stelle macht Alan Watts Faszination über das Universum deutlich und zeigt ebenfalls seine Überzeugung was der eigentliche Kern der Philosophie sei: zu staunen, auch wenn man nicht in der Lage ist, den Grund des Staunen in Worte zu fassen.
„Es gibt also offensichtlich einen Platz im Leben für eine religiöse Haltung im Sinne der Ehrfurcht.
Erstaunen über die Existenz.
Und das ist auch eine Grundlage für den Respekt vor der Existenz. Davon haben wir in dieser Kultur nicht sehr viel, auch wenn wir sie materialistisch nennen.
In der Kultur, die wir heute materialistisch nennen, sind wir natürlich darauf aus, das Material so schnell wie möglich vollständig zu vernichten und in Schrott und Giftgas umzuwandeln.
Das ist keine materialistische Kultur, weil sie keinen Respekt vor dem Materiellen hat und Respekt wiederum auf Staunen beruht.
Das Wunder eines gewöhnlichen Kieselsteins in deinen Fingern zu spüren.“
Gedanken zu diesem Monolog
Vermutlich geht es dir wie mir und du erkennst viel Wahrheit, in diesen Worten von Alan Watts.
Besonders das abschließende Beispiel lässt mich schmunzeln – und das aus verschiedenen Gründen:
Zum einen weil ich genau weiß, wie es sich anfühlt, derart in einem Moment zu sein und von einer scheinbar kleinen, trivialen Sache völlig faszininiert zu sein. Aber zum anderen auch, weil ich mich enorm oft ertappe, wie ich blind für solche Dinge durch den Alltag gehe und mich genau in der kritisierten Position befinde, über welche ich mich in dieser kleinen Rede amüsiert habe.
Aber das ist auch okay. Denn es ist völlig in Ordnung ein wenig hin und her zu gleiten. Und vorallem, gibt es vor allem eins, das Alan Watts deutlich machen wollte:
Und somit gehört es auch dazu, nicht zu streng mit sich zu sein. Besonders wenn man feststellt, dass man mal wieder blind, den gesellschaftlichen Konventionen gefolgt ist. Immerhin ist das eine schöne Gelegenheit, wieder nachzudenken.
Falls dir diese Art Artikel gefallen hat, haben wir noch eine Reihe weiterer. Beispielsweise über Alan Watts‘ Version der Geschichte des chinesischen Farmers.
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