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Baruch de Spinoza über Emotionen

Die meisten von uns würden sagen, dass sie ihre Emotionen im Griff haben. Aber stimmt das auch? Wer sich jetzt gedanklich mit Cholerikern vergleicht, die bei jeder Kleinigkeit einen Wutausbruch haben und ihr Umfeld mit Aggressivität und verbalen, aber möglicherweise auch körperlichen Verletzungen überziehen, wird leicht zum Schluss kommen: Es stimmt. Schließlich ist man selbst nicht so. Man lässt seine Frustration nicht an anderen aus. Man hat sich im Griff.

Spinozas folgendes Zitat zeichnet jedoch ein anderes Bild:

»Die Ohnmacht des Menschen, die Leidenschaften zu beherrschen oder zu zügeln, nenne ich Knechtschaft, denn ein Mensch, der unter ihrer Kontrolle steht, ist nicht sein eigener Herr, sondern wird vom Schicksal beherrscht, in dessen Macht er steht, so dass er oft gezwungen ist, dem Schlechten zu folgen, obwohl er das Bessere vor sich sieht.«

Baruch de Spinoza

    Obwohl es der eigenen Überzeugung entsprechen mag, dass wir unsere Emotionen beherrschen, heißt das leider nicht, dass es stimmt. Ja, es ist wahr, dass die meisten von uns genug Selbstbeherrschung haben, um anderen gegenüber ausfällig zu werden und das ist unbestreitbar eine wichtige Errungenschaft, die in der Gesellschaft beinahe allgegenwärtig ist. Dennoch ist es so, dass wir meist doch zulassen, dass unsere Emotionen unser Umfeld erreichen. Sind wir traurig, ängstlich oder wütend, lassen wir das oft genug in unser Verhalten einfließen, wodurch es unsere Mitmenschen beeinflusst. Vermutlich kennst du das selbst: Ein Arbeitskollege hat einen miesen Tag und obwohl dieser sein Problem nicht thematisiert und nicht direkt an anderen auslässt, zieht dessen Stimmung alles und jeden in dessen Umgebung runter und so auch einen selbst. Und auch unsere Freude sickert gerne durch und sorgt dafür, dass die Leute um uns rum von ihr beeinflusst werden. Hier ist das zugegebenermaßen kein wirkliches Problem, aber es ist ein weiterer Beweis.

    Selbst wenn wir nicht zulassen, dass Emotionen ungewollt nach aussen dringen, heißt das nicht, dass wir Herr:in der Lage sind. Das kann eine trügerische Sicherheit sein, denn nur weil wir nach außen ruhig und gefasst wirken mögen, bedeutet das nicht, dass sich dieser Zustand auch in unserem Inneren widerspiegelt. Im Gegenteil. Oft sind wir innerlich so aufgebracht, dass sich das in Bluthochdruck oder ähnlichen potentiell gesundheitsschädlichen Reaktionen des Körpers zeigt. 

    Es ist folglich leider tatsächlich eine Fehleinschätzung, wenn wir sagen, dass wir unsere Emotionen im Griff haben. Vielmehr haben sie in den meisten Fällen uns im Griff.

    An dieser Stelle ist uns wichtig auf folgendes hinzuweisen: Es geht nicht darum seine Emotionen zu unterdrücken. Uns ist meist intuitiv klar, dass das nicht gut tut und unter Umständen sogar gefährlich sein kann. Stattdessen geht es darum seine Emotionen zu ergründen und zu verstehen. Dies betonte Spinoza ebenfalls:

    »Der Verstand hat mehr Macht über die Emotionen und ist ihnen weniger unterworfen, da er alles als notwendig ansieht.«

    Baruch de Spinoza

      Solltest du die ersten beiden Bände dieser Reihe bereits kennen, kommt dir diese Art Aussage möglicherweise bekannt vor.

      Sowohl im Buddhismus, als auch im Stoizismus (und offen gestanden vielen weiteren Denkschulen) wird die Wichtigkeit betont, Herr:in seiner Selbst zu sein. Und hierfür wird wieder und wieder die Notwendigkeit betont, die eigenen Gefühle, und somit seine Emotionen, zu verstehen. 

      Falls du dich mit diesem Ansatz noch nicht beschäftigt hast, mag das etwas merkwürdig, ja beinahe unnötig erscheinen. Schließlich weiß man ja, warum man sich fühlt wie man sich fühlt, oder? Leider ist auch das meist nicht ganz richtig. 

      Wessen wir uns typischerweise wohl bewusst sind, ist, was die externalen Auslöser für unsere Emotionen sind. Aber da hört es in fast allen Fällen auch schon auf. Warum wir auf gewisse Situationen mit der jeweiligen Emotion reagieren oder wie stark und wie lange sie uns beschäftigen, ist den wenigsten von uns bewusst.

      Aber eins nach dem anderen. Schauen wir uns erst mal die verschiedenen Emotionen an. Es gibt die unterschiedlichen Emotionen nicht ohne Grund und Daseinsberechtigung. In der Psychologie werden je nach Modell zwischen einer Handvoll oder mehreren Dutzend Emotionen definiert. Es finden sich jedoch typischerweise in allen die folgenden: 

      • Furcht
      • Wut
      • Ekel
      • Überraschung
      • Freude

      Furcht lässt uns Gefahren vermeiden. Wut lässt uns Hindernisse überwinden. Ekel schützt uns vor dem Verzehr schädlicher Substanzen, wie etwa verdorbene Lebensmittel und vor Kontakt mit Personen die ansteckend sind. Überraschung hilft uns einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit zu erreichen und so besser Informationen neuer Situationen aufzunehmen und Freude wirkt als Konter von negativen Emotionen. Beispielsweise wenn wir durch Angst eine Bedrohung angewandt oder mit Wut ein Hindernis überwunden haben.

      Folglich sind Emotionen die Konsequenz kognitiver Einschätzungen und Bewertungen von Situationen oder Ereignissen und dienen alle auf ihre eigene Art dem Selbsterhaltungstrieb, wie schon Charles Robert Darwin in seiner Emotionstheorie festhielt. 

      Da sind wir aber schon beim nächsten Thema: Während Emotionen in Situationen in denen es ums Überleben geht durchaus Sinn machen, passen sie oftmals nicht so ganz in die in die Welt der Moderne. Der Grund ist, dass wir oft Umstände geschaffen haben, in denen wir nicht so reagieren können, wie es die Emotion eigentlich gebieten würde. Während unsere Vorfahren das Weite suchten, wenn eine Situation Furcht auslöste und der Sympathikus (der Teil des Nervensystems, das für die Kampf-oder-Flucht-Reaktion verantwortlich ist) stimuliert wurde. Stattdessen hängen wir meist fest. Wir können in unangenehmen Meeting nicht das Weite suchen, sondern müssen ausharren. Die Folge ist, dass das sich die Anspannung nicht löst.

      Die gute Nachricht ist, dass wir das auch nicht nicht unbedingt müssen, sondern die Anspannung auch auf andere Art und Weise lösen können. Wir beide sind zwar der Meinung, dass regelmässiger körperlicher Ausgleich unbedingt Teil unserer Routine sein sollte, doch gibt es noch die andere Möglichkeit, welche wir weiter oben bereits anmerkten: Wir müssen lediglich verstehen, worum es bei unseren Emotionen geht, woher sie kommen und wie wir sie loslassen können.

      Sobald wir das schaffen, gelingt und das was die alten Stoiker der Antike lehrten: Selbstberschung. Und das nicht nur nach außen hin, sondern auch in unserem tiefsten Inneren.

      Aber nicht nur im Stoizismus finden sich die Grundsätze wieder auf die sich Spinoza bezog. Auch im Buddhismus spiegeln sie sich wieder. In den Lehren des Buddha spielt das Thema Leiden, genannt Dukkha, und dessen Überwindung eine zentrale Rolle. Auch hier ist dafür zwingend notwendig, dass wir unsere innere Haltung, und so auch unsere Emotionen, verstehen und ein genaues Verständnis von ihnen haben.

      »Emotionen, die Leiden sind, hören auf, Leiden zu sein, sobald wir uns ein klares und präzises Bild von ihnen machen.«

      Baruch de Spinoza

      Unsere Emotionen sind wichtig und entsprechend sollten wir sie anerkennen, anstatt sie zu verbannen. Schaffen wir das, gelangen wir an einen Punkt, an dem wir sie schätzen aber auch schnell wieder ziehen lassen können und nicht noch Tage nach einem Strafzettel oder einer schlechten Schulnote von schlechter Laune geplagt werden oder nach Jahren noch immer Wut mit uns herumtragen, weil uns jemand Unrecht getan hatte.

      »Je klarer du dich selbst und deine Gefühle verstehst, desto mehr wirst du ein Liebhaber dessen, was ist.«

      Baruch de Spinoza

      So gelingt es uns, einen weiteren Teil unseres Selbst zu akzeptieren. Ziehen wir an dieser Stelle Carl Gustav Jungs Lehren heran, welche die Grundlage der analytischen Psychologie darstellen, lässt auf die dort aufgezeigte Notwendigkeit verweisen, immer mehr Seiten an sich selbst kennenzulernen.

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