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Wieso Hip-Hop so erfolgreich ist: Des Menschen liebe für Fiktion

Vor einiger Zeit hat mir Simon ein Video zukommen lassen, in welchem Robert Greene darüber redet, dass wir als Menschen Illusionen mögen. In dem Zusammenschnitt eines Vortrags zitiert er T.S. Eliot “Humankind cannot bear very much reality.” Greene geht in Folge dessen darauf ein, dass wir nicht nur Illusionen, sondern auch Geschichten und Fiktion lieben und dies schon von klein auf. Realität hingegen ist etwas, das uns größtenteils missfällt. Er spricht ebenfalls an, wie wir in unserer Gesellschaft nicht die Handwerker und Schaffer verehren, sondern Filmstars und sonstige Prominente. Menschen, die bis in den Kern “Fake” sind. Menschen, die vorgeben etwas oder jemand zu sein, und zwar nicht nur in den Rollen, die sie in den Filmen spielen, sondern auch in der Realität.

In den folgenden Wochen ging mir dieses kurze Video immer mal wieder durch den Kopf und so machte ich mir meine eigenen Gedanken zu diesem Thema. Das mir einleuchtendste Beispiel für die Behauptungen, dass wir als Menschen Illusionen lieben, kam mir zum Thema Hip-Hop in den Sinn. Denn bei kaum einer anderen Musikrichtung geben Leute so stark vor etwas zu sein, wie beim Rappen oder im Hip-Hop allgemein. In den folgenden Absätzen will ich meine Erkenntnisse gerne mit dir teilen.

Jeder, der wie ich kurz vor, oder um das, Jahr 2000 geboren wurde, wird bemerkt haben, dass es eine Musikrichtung in den letzten Jahren geschafft hat, das einflussreichste Genre der Popmusik zu werden. Natürlich ist es schwierig, diesen Erfolg nur von ein paar Kriterien abhängig zu machen, schließlich leben wir in einer endlos komplexen Welt, welche eine derart einfache Heranführung schier unmöglich macht. Es könnte natürlich an allem liegen, ob an den sich ständig verändernden Beats, den lyrischen Meisterleistungen welche einige der Rapper beweisen sowie daran, dass Hip-Hop den Zahn der Zeit trifft, wie es kaum ein anderes Genre schafft. Doch genau an diesem letzten Punkt will ich meine Heranführung beginnen, weshalb Rap so erfolgreich ist.

Das einundzwanzigste Jahrhundert wird, meiner Meinung nach, von einem allgemeinen Trend begleitet, der Selbstdarstellung. Erst das Festhalten einer Erfahrung, ob auf Video oder Foto und das darauf folgende Teilen dieser Erfahrung in Verbindung mit den Likes und Kommentaren die wir erhalten, gibt unseren Erfahrungen einen Wert. Hier spreche ich natürlich etwas überspitzt, um zu zeigen, welch eine banale Weltanschauung dies ist. Doch ich denke, ich habe hiermit grob den Punkt vermitteln können, den ich machen wollte. Wir leben in einer überdurchschnittlich narzistischen Zeit, einer Zeit, in der uns kleine Taschencomputer ständig mit der gesamten Welt verbinden. Natürlich wird diese Verbindung im Großen und Ganzen kaum dafür genutzt, uns näher zusammenzubringen, sondern um sich selbst möglichst weit zu verbreiten. Diese Selbstprofilierung ist allerdings nicht aus der uns gegebenen Technik heraus entstanden, sondern wurde von dieser lediglich gefördert. Der Mensch als solcher ist seit jeher darauf aus, sich nicht in seinem natürlichen Ich zu zeigen. Ein sehr einfaches Beispiel hierfür wäre, sich anzuschauen, was die meisten von uns für einen Aufwand betreiben, bevor wir zu größeren sozialen Anlässen gehen. Wir ziehen uns Klamotten an, die wir normalerweise nicht tragen, lassen uns die Haare schneiden, damit wir gepflegter aussehen, ziehen Schmuck an oder tragen uns irgendwelche Farben im Gesicht auf, um anders auszusehen. An dieser Stelle würde ich gerne kurz zurück zu Greenes Aussage kommen, dass wir Filmstars und Prominente verehren. Denn sie sind schließlich die Personengruppen, die am meisten zu irgendwelchen Awards, Galas, Eröffnungen und Preisverleihungen eingeladen werden. Alles Events, zu welchen man aufgetakelt und in unalltäglichen Outfits erscheint.

Diese Selbstdarstellung findet sich auch in den Texten der meisten Rapper wieder. Hierbei möchte ich allerdings von Anfang an klarstellen, dass ich hier nun stark generalisieren werde. Mir ist durchaus bewusst, dass es nicht ganz so schwarz und weiß ist, doch werde ich es der Einfachheit wegen dennoch tun. Lyrisch kann man die meisten Hip-Hop Songs in zwei Kategorien einteilen. Die erste Kategorie nennen wir die Blendende, die Zweite die des Logos. Falls du genauer wissen willst, was ein, beziehungsweise der, Logos ist, empfehle ich dir diesen Artikel von Simon zum Thema durch zu lesen.

Widmen wir uns nun erst einmal den blendenden Rappern. Weshalb ich mich hierbei für das Wort blenden entschied ist direkt erkennbar, schließlich dauert es meist nicht sehr lange, bis die meisten Rapper anfangen darüber zu erzählen, wie viele Autos sie besitzen, wie viel Geld sie haben, mit wie vielen Frauen sie regelmäßig schlafen oder sonstiges, worauf man flexen kann. Natürlich kann man davon ausgehen, dass an all diesen Aussagen nicht so viel dran ist wie wir glauben sollten. Denn wie viel von diesem Alltag Realität ist, ist eine andere Frage. Was man aber nicht abstreiten kann ist, dass die Rolle, oder die Person, die sie erstellen, quasi den Traum eines jeden heranwachsenden Jungen genau beschreibt. Wie nachhaltig all das wirklich ist, bleibt außen vor. Doch nicht nur Jungs verfolgen hier Blind irgendwelche Idole. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich ähnliche Persönlichkeiten als Rollenbilder für Mädchen entwickelten. Die Message ist hier quasi die gleiche, es geht um Autos, Drogen, Geld und viele schnell wechselnde Sexualpartner.

Weshalb ich hier besonders auf Mädchen und Jungen eingehe, ist, dass die meisten Hörer:innen dieses Musikgenres unter zwanzig sind. Laut statista.com sind Hip-Hop und Rap insbesondere bei der jüngeren Bevölkerung von 14 bis 19 Jahren sehr beliebt. Dies verwundert einen wenig, denn in jungen Jahren ist man prinzipiell gegen die derzeit geltende Norm und will rebellieren. Wie könnte man dies besser ausdrücken, wenn nicht durch Musik, welche genau diese Norm durch den Kakao zieht. Die Jugend verehrt gerade den Lifestyle, den diese Rapper vermitteln. Schnelle Autos, ständig Drogen konsumieren und ständig neue Partner haben. Meiner Meinung nach eine maßgeschneiderte Illusion für das einundzwanzigste Jahrhundert.

Kommen wir nun zur zweiten Kategorie, den Rappern des Logos. Rapper dieser Kategorie erzählen meist nicht von einem großen Fuhrpark und endlosem Geld. Sie erzählen von alltäglichen Situationen, mit welchen sich die meisten identifizieren können. Aus diesem Grund entschied ich mich auch hier dafür, das Wort Logos zu verwenden. Denn Logos stehen für einen allgemeinen Sinn oder eine allgemeine Logik, mit der sich viele Menschen identifizieren können. Ein musikalisches Beispiel hierfür wäre der Song “Wet Dreamz” von J. Cole, in diesem berichtet der US-Rapper davon, wie eine fiktive Figur ihr erstes Mal erlebt. Es beginnt unschuldig in der Schule mit dem Schreiben von Briefchen und endet dann mit dem ersten Mal. Mit seinem Stil beschreibt Cole auf eine lustige, aber doch sehr realitätsnahe Art und Weise, wie es so laufen kann. In diesem Fall geht es weniger darum, mit dem Ereignis anzugeben, als persönliche Erfahrungen zu teilen. Erfahrungen, in welche sich die meisten hineinversetzen können. Hierbei ist es nun wichtig zu erwähnen, dass fast alle vorherigen Musikrichtungen, ob Rock, Soul, Funk oder sonstige, Musik des Logos waren. Denn dieses Sich hineinversetzen in die Texte ist es was dafür sorgt, dass die breite Masse ebendiese Texte und somit auch die Lieder gut findet.

Es ist also der blendende Hip-Hop welcher auf neuartige Weise die Massen in den Bann zieht. Die Illusion eines solch schnellen Lebens verzaubert vor allem junge Hörer im großen Rahmen. Um nun noch einmal zum Einstieg und Robert Greene zurückzukehren. War es absehbar, dass Hip-Hop als Musikgenre die Popkultur einnehmen wird? Einfach gesagt ja. Natürlich hat damals, als der Hip-Hop aufkam, was ungefähr um das Jahr 1973 geschah, niemand sagen können, wo diese Reise hinführen würde. Zumal das Internet erst sechzehn Jahre später erfunden wurde, von Smartphones ganz zu schweigen. Natürlich hätte niemand die Zukunft so genau vorhersagen können, schließlich gibt es endlos viele Arten, auf die sich die Zukunft entfalten kann. Doch die Aussage das wir Menschen Illusionen lieben gefolgt von dem Fakt, dass der moderne Hip-Hop fast ausschließlich selbstdarstellend ist, deutete darauf hin dass es zu erwarten war.

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