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Seneca: Ziellosigkeit, Multitasking und FOMO

Ich denke die meisten von uns fühlen sich heutzutage oft gehetzt. Einige sogar permanent. Früher gehörte ich definitiv zu den letzteren. 

Das Resultat ist häufig, dass wir mit unserer Energie schneller am Ende sind, als uns lieb wäre und wir uns den Dingen nicht so widmen können, wie wir es eigentlich gerne möchten. Der römische Philosoph Seneca, waren die hier vor schon bereits vor hunderten von Jahren:

„Nirgendwo ist, der überall ist.“

Seneca

Uns mögen diese Worte nicht immer bewusst sein, doch wenn wir darüber nachdenken, ist es eigentlich offensichtlich.

Nehmen wir an, dein Tag sieht wie folgt aus:

Am Morgen stehst du knapp auf, machst dich schnell fertig für die Arbeit. Wenn es reicht, machst du dir noch eine Kleinigkeit zum Frühstück (aber wahrscheinlich wird das Essen bis zur Pause auf Arbeit warten müssen). Auf Arbeit angekommen, arbeitest du schnell die E-Mails durch,  die es am nötigsten haben.  Aber eigentlich bist du mit den Gedanken schon im Meeting. Und im Meeting schweifen die Gedanken Richtung Mittagessen ab. Schaffst du es heute rechtzeitig, um zusammen mit deiner Partnerin oder deinem Partner gemeinsam zu essen? Im Imbiss an der Ecke natürlich. Für ein Restaurantbesuch ist nicht genügend Zeit. 

Und tatsächlich. Du schaffst es. Ihr beide wählt jeweils ein Gericht von der Karte und schlingt es eilig in euch rein, während ihr euch kurz darüber  austauscht wie der Morgen so gelaufen ist. 

Das war ein Erfolg. Aber die Arbeit ruft wieder, also zurück ins Büro und noch schnell die restliche Arbeit für den Tag erledigen, während du gedanklich aber schon den Einkauf planst, den du auf dem Heimweg noch erledigen wirst.

Die Zeit während dem Einkauf nutzt du dann effizienter Weise um kurz mit deinem besten Freund zu telefonieren, den du schon viel zu lange nicht gesehen hast. 

Das Gespräch tat gut, auch wenn es ganz offensichtlich nur ein  dürftiger Ersatz für ein echtes Treffen war und du dich nicht mehr an alles erinnerst was dir erzählt wurde. Aber immerhin hast du zwei Dinge auf einmal erledigt. 

Und du hast nur drei von den zehn Sachen vergessen, die du kaufen solltest. Die Moralpredigt zu Hause kriegst du nicht ganz mit, da dir gerade einfällt, dass das Spiel bereits angefangen hat das du schauen wolltest,  aber nerven tut sie trotzdem. 

Etwas später fällst du müde ins Bett. Nur dauert es eine ganze Weile bis du einschläfst, denn die Gedanken an den morgigen Tag im Büro beschäftigen dich schon jetzt.

Möglicherweise kennst du Tage wie diese (oder auch nicht wenn du zu den glücklicheren Zeitgenossen gehörst). Tatsache ist jedenfalls, dass die Tage vieler Menschen so oder ähnlich aussehen. Wenn ich nicht aufpasse tun es meine Tage auch.

Und das fühlt sich alles andere als gut an.

Das zugrundeliegende Problem das ich hier sehe, ist natürlich zum einen die schiere Menge an Dingen die wir erledigen, aber auch zu einem großen Teil die Tatsache, dass wir versäumen unsere Aufmerksamkeit ganz der aktuellen Tätigkeit zu widmen.

Dadurch geraten wir in einen Zustand des Multitasking. Vielleicht hast du es bereits schon hier und da gelesen, aber Wissenschaftler sind zum Schluss gekommen, dass Menschen im Prinzip nicht multitasken können.

Was wir fälschlicherweise als Multitasking interpretieren, ist eigentlich die Fähigkeit sehr schnell zwischen Aufgaben hin und her zu springen. Wodurch jedoch die Qualität und Leistung für eine spezifische Aufgabe jeweils leidet.

Und dieses Vorgehen ist anstrengend.

Der fragwürdige Preis den wir für unser vermeintliches Multitasking erhalten, ist, dass wir gestresster sind als wir es eigentlich sein sollten.

Was ich dir jetzt sage ist relativ simpel und dir vermutlich auch bewusst, aber eines ist es nicht: einfach. Denn etwas zu Wissen reicht nicht. Man sagt zwar gerne “Wissen ist Macht”, aber wie Jim Kwik in seinem Buch Limitless sehr schön feststellt, stimmt das nicht, denn Wissen ist eigentlich nur Potential für Macht. Wenn wir es nicht anwenden bringt es uns absolut gar nichts. Und genau hier liegt der Knackpunkt. Wenn wir es nicht stetig üben, im Moment zu sein, statt schon gedanklich zu nächsten oder vielleicht sogar übernächsten Aufgaben zu springen, werden wir es kaum schaffen dem gestresstem Zustand zu entkommen. 

Übung macht – so wie überall – den Meister. Ich versuche im Alltag stets Momente zu identifizieren, in denen ich gedanklich nicht mehr im Moment bin und versuche wieder in den Moment zurückzukehren. 

Das klappt nicht immer, aber immer öfter. Ich möchte dich ermutigen, dasselbe zu versuchen. Und ganz wichtig: mach dich nicht fertig, falls es mal wieder nicht geklappt haben sollte. Es gibt immer ein nächstes Mal. Bleib dran.

Ein weiterer Trick, der wieder sehr auf das ursprüngliche Zitat zurückkommt, ist es, nicht überall sein zu wollen. Beispielsweise könntest du statt während dem Einkauf mit deinem besten Freund zu telefonieren, dir davor für 10 Minuten eine nette Bank suchen  und dem Gespräch deine volle Aufmerksamkeit widmen. Vielleicht hat das sogar zur Folge, dass du beim Einkauf nur zwei statt drei Sachen vergisst.

Auch kannst du bzw. solltest du in Betracht ziehen, dir weniger Aufgaben aufzuhalsen. Ich weiß, dass das in unserer heutigen Welt nicht leicht ist. Wir alle haben viel zu tun und erschwerend hinzu kommt, dass uns suggeriert wird, so vieles zu verpassen wenn wir nicht überall dabei sind. Der genaue Begriff hierfür ist “Fear of missing out” oder in Kurzform: FOMO. 

Versuche dir beispielsweise bewusst zu machen, dass es okay ist, wenn du nur auf eine Party im Monat gehst um mehr Zeit zu haben in der Natur zu verbringen, oder auf Arbeit nicht noch ein Projekt anzunehmen, um deine Gedanken lieber auf die bestehenden zu fokussieren.

Es ist wichtig, dass du auf dich aufpasst. Sonst passiert es dir schnell, dass du überall  zugleich und dadurch nirgendwo bist, wie Seneca sagte.

Mir kommt immer ein Zitat aus dem Herrn der Ringe in dem Sinn, welches meiner Meinung nach sehr treffend beschreibt, wie man sich fühlt, wenn man sich zu vielen Dingen widmet und sich nicht auf jeweils die aktuelle Aufgabe oder Situationen konzentriert:

“…ich komme mir ganz dünn vor, ausgemergelt, wie Butter auf zu viel Brot verstrichen.” -Bilbo Beutlin zu Gandalf 

Versuchen wir zusammen die Dinge bewusster zu erleben und die Erwartungshaltung abzulegen, überall sein zu müssen.

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