Warum Philosophen nicht immer klug sind: Intelligenz ist relativ
Ich wage folgende Behauptung: Auch große Philosophen können durchaus dumm sein. Nein, mehr noch: sie sind dumm. Dumm und intelligent zugleich. So wie jeder von uns dumm und intelligent zugleich ist.
Anmerkung: Ich möchte hier das Wort „dumm“, nicht in einem beleidigenden oder starken Sinne verwenden. Ich nutze es in diesem Kontext lediglich, um den Mangel oder das Fehlen von Intelligenz zu beschreiben.
Nur weil man auf einem Gebiet brilliert oder durchfällt, heißt das nicht, dass man generell klug oder generell dumm ist. Nehmen wir als Beispiel Hegel und Heraklit, die zweifelsohne zu den brilliantesten Denkern ihrer Zeit, und möglicherweise jemals, gehören. Doch waren sie beide nicht in der Lage ihre Ideen so zu formulieren, dass sie ein sehr großes Publikum erreichten. Heraklit war sogar der Meinung, alle anderen wären das Problem, da sie ihn oft nicht verstanden. Auch Hegel bemühte sich kaum, seine komplizierten Formulierungen in den Griff zu kriegen. Zugeben, seine Vorlesungen hatten dennoch durchaus großen Zulauf und seine Arbeit wurde in akademischen Kreisen enorm geschätzt, aber, wären seine Bücher verständlicher formuliert, hätten seine genialen Konzepte auch die breite Masse erreichen können.
Diese Sichtweise eröffnet eine wichtige Diskussion über das Wesen der Intelligenz und der Dummheit. Intelligenz ist kein monolithischer Block, der sich gleichmäßig über alle Bereiche des Denkens und Handelns erstreckt. Sie ist vielmehr facettenreich und kann in einem Bereich glänzen, während sie in einem anderen versagt. Die Fähigkeit, komplexe philosophische Konzepte zu entwickeln, schließt nicht obligatorisch die Fähigkeit ein, diese Konzepte auf eine Weise zu kommunizieren, die für ein breites Publikum verständlich ist. Dies deutet auf eine Art von Intelligenz hin, die tief und spezialisiert, aber möglicherweise nicht umfassend ist.
Die Annahme, dass jemand, der in einem Gebiet brilliert, in allen anderen ebenso brillant sein muss, ist ein Trugschluss. Die Geschichte ist voll von Genies, deren soziale oder praktische Fähigkeiten nicht mit ihren intellektuellen oder künstlerischen Fähigkeiten übereinstimmten. Es ist die Anerkennung, dass Menschen komplexe Wesen sind, deren Stärken und Schwächen in verschiedenen Kontexten unterschiedlich zum Ausdruck kommen.
Hegel und Heraklit bieten interessante Beispiele. Ihre Arbeit hat die Grenzen des philosophischen Denkens erweitert, aber ihre Fähigkeit, ihre Ideen zu kommunizieren, wurde kritisiert. Hegels Schriften gelten oft als schwer verständlich, und Heraklits fragmentarische Überlieferungen wurden als dunkel und rätselhaft empfunden. Dies könnte darauf hindeuten, dass ihre intellektuelle Brillanz nicht unbedingt mit kommunikativer Klarheit oder dem Wunsch, verstanden zu werden, einherging – unabhängig davon, ob bewusst oder unbewusst.
Die Diskrepanz zwischen dem Vermögen, revolutionäre Ideen zu haben, und der Fähigkeit, diese Ideen zu vermitteln, wirft Fragen auf. Ist es wichtiger, tiefgründige Gedanken zu entwickeln, oder sollte der Schwerpunkt darauf liegen, diese Gedanken einem breiteren Publikum zugänglich zu machen? Die Antwort hängt wahrscheinlich von den Zielen des Einzelnen ab. Einige mögen es vorziehen, in die Tiefen des Denkens einzutauchen, ohne sich um die Verbreitung ihrer Ideen zu kümmern, während andere den Wert ihrer Arbeit darin sehen, wie weit sie verbreitet und verstanden wird.
Ich denke es benötigt beides, wodurch die Haltung von Heraklit und Hegel absolut in Ordnung ist. Genauso wie es auch in Ordnung ist, wenn wir nicht alle Arten von Intelligenz besitzen. Falls dich die verschiedenen Arten von Intelligenz übrigens näher interessieren, findest du hier einen Artikel über Howard Earl Gardners Modell der Intelligenztypen.
Letztlich ist es wichtig, die Vielschichtigkeit der menschlichen Intelligenz zu erkennen und zu akzeptieren, dass Brillanz in einem Bereich nicht automatisch Kompetenz in einem anderen bedeutet. Diese Erkenntnis kann zu einem tieferen Verständnis der menschlichen Natur führen und die Wertschätzung für die Vielfalt der Talente und Fähigkeiten, die Menschen besitzen, fördern. Es lehrt uns, demütig zu sein in unserem Urteil über andere und offen für die Komplexität, die jedes Individuum einzigartig macht.