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Alan Watts, Schopenhauer und das Universum, das sich selbst erfährt

Alan Watts für seine Interpretation und Integration östlicher Philosophien in das westliche Denken bekannt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die folgende Sichtweise, welche stark vom östlichen Denken, insbesondere vom Buddhismus, beeinflusst ist und spannenderweise trotz der unterschiedlichen Kontexte und Schlussfolgerungen gewisse Ähnlichkeiten mit Schopenhauers Philosophie hat.

»Through our eyes, the universe is perceiving itself. Through our ears, the universe is listening to its harmonies. We are the witnesses through which the universe becomes conscious of its glory, of its magnificence.« 

»Durch unsere Augen nimmt das Universum sich selbst wahr. Durch unsere Ohren hört das Universum auf seine Harmonien. Wir sind die Zeugen, durch die sich das Universum seiner Herrlichkeit, seiner Großartigkeit bewusst wird.«

Alan Watts

Alan Watts vertrat die Ansicht, dass das individuelle Bewusstsein kein isoliertes Phänomen ist, sondern ein Ausdruck des Prozesses der Selbsterkenntnis des gesamten Universums. Seiner Ansicht nach ist jedes Individuum im Grunde das gesamte Universum, das sich selbst von einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit aus beobachtet und erfährt.

Diese Idee spiegelt ein nicht-dualistisches Verständnis der Realität wider, bei dem die Trennung zwischen dem Selbst und der Welt eine Illusion ist. Watts bezog sich dabei stark auf den Hinduismus, den Buddhismus und den Daoismus, die alle eine tiefe Verbundenheit aller Dinge und die Illusion des Ichs als separates Wesen zum Ausdruck bringen.

Wir erinnern uns: Schopenhauers Philosophie geht davon aus, dass die Welt eine vom Willen geformte Darstellung ist, die das wahre Wesen hinter den Erscheinungen ist. Sein Verständnis der Wirklichkeit deutet auch auf eine Form der Verbundenheit hin, wobei der Wille als die grundlegende Kraft fungiert, die alle Wesen verbindet.

Schopenhauers Sichtweise ist jedoch eher pessimistisch und betont das blinde Streben des Willens und das dadurch verursachte Leid. Trotzdem lässt seine Auseinandersetzung mit östlichen Philosophien, insbesondere dem Buddhismus, darauf schließen, dass er die illusionären Aspekte der Welt anerkennt und den Wunsch hat, das Leiden, das mit den Willensäußerungen einhergeht, zu überwinden.

Portrait: Alan Watts

Sowohl Watts als auch Schopenhauer stützen sich stark auf buddhistische Konzepte, insbesondere auf die Idee der Verbundenheit und der illusionären Natur des Ichs. Sie gehen davon aus, dass die scheinbare Trennung zwischen dem Ich und der Welt eine Fehlwahrnehmung ist, auch wenn sie sich dieser Schlussfolgerung aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähern.

Für Watts ist diese Erkenntnis ein Grund zum Genießen und eine Einladung, das Leben in vollem Umfang zu erleben, in dem Wissen, dass wir Ausdruck der Dynamik des Universums sind. Schopenhauer erkennt zwar die illusorische Trennung zwischen den einzelnen Willen an, sieht diese Erkenntnis aber als einen Weg, den Willen zu negieren und damit das Leiden zu verringern.

Der wohl auffälligste Unterschied zwischen Watts und Schopenhauer liegt in ihrer Einstellung zur Natur des Daseins und zu den Auswirkungen ihrer Philosophien. Watts vertritt eine optimistische Sicht des Lebens und ermutigt die Menschen, ihre Identität als das sich selbst erlebende Universum anzunehmen und in Harmonie mit diesem Verständnis zu leben.

Schopenhauer hingegen vertritt eine pessimistische Haltung, indem er die Leiden des Lebens als dem Willen inhärent ansieht und das ultimative Ziel die Beendigung des Willens und damit des Leidens ist – aber auch er ist nicht vollends Pessimist, da er das Schöne kennt und schätzt und die Existenz nicht als hoffnungslos abtut. Wie wir bereits gelernt haben war er der Kunst, der Natur und der Welt auch zugetan.

Portrait: Arthur Schopenhauer

Der Vergleich der Philosophie von Alan Watts und Schopenhauer offenbart eine faszinierende Schnittmenge östlichen und westlichen Denkens, denn beide Philosophen interpretieren die Konzepte der Verbundenheit und der Natur des Selbst auf unterschiedliche, aber komplementäre Weise. Obwohl sie die buddhistischen Erkenntnisse über die Realität und das Selbst schätzen, gehen sie in ihrer Interpretation dessen, was diese Erkenntnisse für die menschliche Erfahrung bedeuten, auseinander.

Watts sieht in diesen Ideen eine befreiende Wahrheit, die unseren Umgang mit dem Leben verbessern kann, während Schopenhauer einen Weg findet, sich von dem unaufhörlichen Streben des Lebens zu lösen. Gemeinsam bieten ihre Philosophien ein reichhaltiges Gedankengeflecht über die Natur des Bewusstseins, das Universum und unseren Platz darin und laden den Leser dazu ein, die Tiefe und Breite des menschlichen Verständnisses über Kulturen und Philosophien hinweg zu erkunden.

Falls du mehr über Alan Watts erfahren möchtest, findest du hier einen biographischen Artikel.

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