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Kierkegaard über die Rolle der Angst in der Freiheit

Auch wenn wir die Gelegenheit haben, unser Potential zu entfalten, tun wir es oft nicht. Vermutlich kennst du es von dir selbst, dass man nicht immer seine Möglichkeiten ausschöpft. Die Gründe hierfür sind vielfältig, aber einer der geläufigsten ist vermutlich der, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, was wiederum mit einer Gewissen Angst zu tun hat:

»Angst ist das Schwindelgefühl der Freiheit. Wer gelernt hat, auf die richtige Weise ängstlich zu sein, hat das Ultimative gelernt«

Søren Kierkegaard

Kierkegaards Behauptung gibt einen tiefen Einblick in die menschliche Existenz. Auch wenn es nicht unbedingt so wirken mag, ist die Beziehung zwischen Freiheit und Angst eine komplexe. 

In ihrer reinsten Form bietet die Freiheit eine unendliche Vielfalt an Möglichkeiten. Diese riesige Auswahl an Möglichkeiten kann überwältigend sein und zu dem führen, was Kierkegaard als „Schwindelgefühl“ bezeichnet. Dieses Gefühl ist nicht nur ein Nebenprodukt der Freiheit, sondern ein integraler Bestandteil der Erfahrung von Freiheit. Es ist ein Zeichen dafür, dass in unserem Leben echte Freiheit herrscht, ein grenzenloser Horizont, der uns zwar beflügelt, uns aber auch verunsichern kann. 

Das Unbehagen, das mit diesem Schwindel einhergeht, ist nicht grundlos. Es ist ein wichtiges Element auf unserer existenziellen Reise und zwingt uns, uns unseren tiefsten Ängsten und Unsicherheiten zu stellen. Diese Konfrontation ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Beweis dafür, dass wir uns mit dem gesamten Spektrum der menschlichen Existenz auseinandersetzen. Der größte Lerneffekt ergibt sich also aus unserer Fähigkeit, „auf die richtige Weise ängstlich zu sein“. Dabei geht es nicht darum, der Angst zu erliegen, sondern darum, die Angst als Wegweiser zu erkennen, der uns durch den komplizierten Tanz der Freiheit führt.

In unserem modernen Leben kann es – bewusst oder unbewusst – verlockend sein, Zuflucht in der Illusion von Sicherheit und Vorhersehbarkeit zu suchen. Oft konstruieren wir ausgeklügelte Routinen und erlegen uns selbst Beschränkungen auf, um dem Unbehagen an zu viel Freiheit zu entgehen. Diese Barrieren, auch wenn sie noch so gut gemeint sind, können uns ungewollt von der pulsierenden Komplexität des Lebens abschirmen. Sie stumpfen die Kanten der Freiheit ab und reduzieren unsere Existenz auf eine Reihe von überschaubaren, aber letztlich oberflächlichen Begegnungen.

Während du durch deine Freiheit navigierst, überlege, wie du das Schwindelgefühl vermeiden kannst, von dem Kierkegaard spricht. Gibt es Momente, in denen du dich vor der Fülle der Möglichkeiten, die sich dir bieten, zurückziehst? Ich kenne sie definitiv. Es sind genau diese Momente in denen die größte Chance für Wachstum liegt. Wenn wir das Unbehagen des Schwindels der Freiheit annehmen, geht es nicht nur darum, die Ungewissheit zu tolerieren; es geht darum, die Fülle unseres Potenzials anzuerkennen und zu nutzen.

Kierkegaards Einsicht fordert uns heraus, über die bloße Existenz hinauszuwachsen. Wenn wir lernen, auf die richtige Weise ängstlich zu sein, betrachten wir unsere Freiheit nicht als Last, sondern als Leinwand. Diese Perspektive schmälert nicht die Realität unserer Ängste, sondern macht sie zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Reise. Durch diese Auseinandersetzung können wir das wahre Ausmaß unserer Freiheit schätzen lernen – nicht als Quelle des Schwindels, sondern als ultimativen Ausdruck unserer Menschlichkeit.

In diesem Licht wird die Angst nicht nur zu einem unvermeidlichen, sondern auch zu einem wertvollen Teil des Lebens. Sie erinnert uns an unsere Freiheit und lädt uns ein, die Ungewissheit, die mit ihr einhergeht, anzunehmen. Wenn wir lernen, mit unseren Ängsten bewusst umzugehen, öffnen wir uns für die großen Möglichkeiten, die die Freiheit bietet. Das ist das Höchste, wovon Kierkegaard spricht: eine tiefe Anerkennung unserer Fähigkeit, uns auf das Leben in seiner vollsten, komplexesten Form einzulassen.

Oh, und Kierkegaard sagte auch: „Je weniger Geist, desto weniger Angst.”

Wenn du also verhältnismäßig viel Geist verspürst, muss das nichts Schlechtes sein.

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