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Warum niedriges Einkommen in der Gesellschaft so verachtet wird

Auch wenn wir uns nicht immer darüber bewusst sind, ist ein niedriges Einkommen gesellschaftlich nicht sonderlich gut angesehen. Und das obwohl geringe bis mittlere Gehälter eigentlich die Norm sind. Ein Paradoxon, das wir uns in diesem Artikel genauer anschauen werden.

Das und warum ein niedriges Einkommen eigentlich okay sein kann, solange es für dich stimmt.

Das Thema hat einiges an Substanz. Hier die Übersicht des Artikels:

Ursprung für Geringschätzung von niedrigem Einkommen

Von jung auf werden wir konditioniert, Leute mit hohem Einkommen zu bewundern. Leute mit geringem Einkommen werden eher gering geschätzt, oft abfällig belächelt oder sogar verachtet.

Evolutionsbiologisch ergibt dieses Verhalten Sinn, denn wer über viele Ressourcen verfügte, hatte gute Aussicht sich und sein nahes Umfeld am Leben zu halten. Hatte man hingegen nur wenig, konnte das oft bedeuten, das man ein schlechtes bzw. schwieriges Leben führen musste und bei schlechteren äußeren Umständen möglicherweise sein Leben verlor, oder es nicht schaffte seine Kinder durchzubringen. Auch profitierte die Gemeinschaft wenig von Personen mit geringen Mitteln.

Das war zumindest früher der Stand der Dinge, aber heute sieht das meist anders aus.

Die heutigen sozialen und finanziellen Umstände

Noch immer befindet sich der Großteil der Menschen am unteren Ende des Wohlstands. Während das in Entwicklungsländern durchaus ein Problem sein kann und das Leben kosten kann (und tut), ist es in der westlichen Welt immer irrelevanter, ob man viel verdient oder nicht.

Bevor jetzt Mistgabeln und Fackeln gezückt werden, möchte ich das gerne etwas präzisieren:

Natürlich gibt es auch in der westlichen Welt Menschen, die unter dem Existenzminimum leben. Viel zu viele sogar. Und das ist ein Problem.

Aber:

Die meisten Jobs, bieten mittlerweile ein Einkommen, das ausreichend ist für ein ordentliches Leben. Der allgemeine Wohlstand ist immens angestiegen in den letzten 70 Jahren.

Bitte noch nicht dazu übergehen, mich durch die Stadt zu jagen.

FAKT (UN-REPORT 2015)
Von den 23.3 % der Menschen, die zwischen 1990 und 1992 als unterernährt registriert wurden, sind heute nur noch 12.9 % übrig. Nordafrika hat sogar das Ziel, die extreme Armut zu halbieren, fünf Jahre vor der Frist im Jahr 2010 erreicht. Heute lebt noch 1 % der Menschen von weniger als 1.25 US-Dollar pro Tag. Diese Zahl ist von 5 % im Jahr 1990 gesunken.

Was ich meine ist, dass unsere heutigen gesellschaftlichen Konstrukte und Innovation, dafür gesorgt haben, das ein beachtliches Maß an Wohlstand auch die geringverdienende Bevölkerungsschicht erreicht hat.

Dadurch, gibt es meist mehr zu essen, als notwendig wäre, eine medizinische Versorgung, die das Überleben bei den meisten gesundheitlichen Problemen sichert und für gewöhnlich einen gewissen finanziellen Überschuss, der für Luxus genutzt werden kann.

Dieser Luxus kann viele Formen haben. Einige Beispiele sind:

  • Urlaub – auch wenn dieser seltener und weniger extravagant ausfällt, als bei Personen mit hohem Einkommen
  • Rauschmittel – Alkohol, Tabak, Kaffee usw.
  • Entertainment – Streaming-Dienste, Kino, Theater, etc.
  • Hobbies – wie das Spielen eines Instruments, das Ausführen einer Sportart, eine Vereinsmitgliedschaft, u.v.m.

Es wäre also in den meisten Fällen durchaus möglich, mit einem geringen Einkommen glücklich und vorallem respektiert zu sein. Aber wieso funktioniert das in der Praxis oftmals nicht?

Die Antwort flackert dir vielleicht gerade durch den Kopf:

Weil wir die Denkmuster, die uns früher ein Nutzen gebracht haben, heute aber eigentlich obsolet sind, nicht abgelegt haben.

Warum wir das noch nicht getan haben?

Zum einen weil sich der Mensch (aus evolutionärer Sicht) nur äußerst langsam weiterentwickelt. So langsam, dass es verglichen mit dem rasenden technischen Fortschritt, den wir erzielen, beinahe als Stillstand wahrgenommen wird.

Zum anderen aber – und das ist viel problematischer – weil wir gesellschaftlich so konditioniert wurden, dass wir immer mehr haben wollen, um unsere gutgeölte Konsum-Industrie weiter am Laufen zu halten. Die permanente Werbung die überall im Alltag auf uns einprasselt ist, das perfektionierte Werkzeug hierfür. Hast du gewusst, dass wir pro Tag bis zu 10.000 Werbeanzeigen ausgesetzt sind? Klingt komplett gestört – und das ist es auch. Genauso gestört ist es übrigens in einem System mit begrenzten Ressourcen, nach unbegrenztem Wachstum zu streben, aber lassen wir das für einen anderen Artikel.

Ein weiteres Problem ist jedenfalls… Trommelwirbel… Social Media. Nein, ich sehe Social Media nicht als Feind an, aber es ist unbestreitbar, dass es sich in eine komplett verdrehte Richtung entwickelt hat, in der sich 99% der Menschen mit den super-reichen 1% vergleicht.

Wir versuchen krampfhaft, das eigene Leben komplett geschönt darzustellen. Hier scheint seit einiger Zeit ein Reflektieren einzusetzen und wir haben angefangen auf die Inszenierung auf Instagram und Co. aufmerksam zu machen, worüber wir sehr froh sein sollten und in welche Richtung wir dringend weiter pushen sollten.

Diese beiden Umstände haben jedenfalls eine äußerst traurige Folge:

Wir glauben noch immer, dass wir nicht genügen und nicht genügend erreicht haben. Dabei haben wir als Spezies eigentlich in weiten Teilen den wunderbaren Schritt geschaft, nicht mehr zwingend nach mehr streben zu müssen. Und doch tun wir es.

(Wie gesagt, es gibt noch viele Menschen, denen wir die Hand reichen müssen und es ist mir unbegreiflich, wieso das so schleppend voran geht)

Vorteile von niedrigem Einkommen

Du hast vermutlich schon vermutet, dass ich auch noch mit einigen Vorteilen eines niedrigen Einkommen um die Ecke kommen werde, richtig? Na dann schauen wir mal.

Im Vergleich zu den Nachteilen (geringere finanzielle Möglichkeiten – insbesondere was die Menge an Luxus angeht), sind die Vorteile nicht ganz so offensichtlich. Aber sie sind da.

Und sie sind eigentlich sehr verlockend. Schauen wir uns den größten Vorteil vorab an:

Geringes Einkommen ist leichter erreichbar

Wenn mit einem vergleichsweise geringen Einkommen, bereits alle Grundbedürfnisse und sogar ein gewisses Maß an Luxus gedeckt werden können, braucht es verhältnismäßig wenig Aufwand, dieses zu erreichen.

Man hat dann die wundervolle Freiheit sich den Beruf auszuwählen, dem man auch wirklich nachgehen möchte und nicht den, der das meiste Geld einbringt.

Es müssen nicht stets neue Kunden gewonnen akquiriert werden um dem großen „Mehr“ nachzujagen.

Mehr Zeit für Leben

Draußen in der Welt zu sein; das ist Leben.

Gepaart mit immer weiteren Innovationen ergibt sich aus dem vorherigen Punkt unweigerlich, dass es immer einfacher wird, den Status Quo des Wohlstands beizubehalten. Das heißt, du musst mit der Zeit immer weniger Arbeitsstunden einsetzen um diesen zu sichern. Dadurch wird Zeit frei kreativen Projekten nachzugehen und vielleicht selbst Innovation zu betreiben. Du kannst aber auch wohltätigen Zwecken nachgehen, Freunde und Familie treffen oder einfach nur unter einem Baum sitzen und in die Ferne starren.

Ein schöner Kontrast zu unzähligen Überstunden, die viele von uns runterreißen um den neuen Fernseher abzuzahlen, der 10cm mehr Bildschirmdiagonale hat, als der Alte. Oder damit es nicht mehr ein 5er BMW ist, den man Morgens um 07:00 Uhr in der Tiefgarage im Geschäft abstellt und Abends um 21:00 Uhr wieder nach Hause fährt, sondern jetzt ein Porsche 911.

Auch hier möchte ich nicht falsch verstanden werden, wenn einem die Arbeit Spaß macht sind Überstünden meiner Meinung nach völlig in Ordnung und eine logische Konsequenz. Und wenn einen die erarbeiteten Dinge erfüllen, ist das auch definitiv in Ordnung. Aber, falls man sich ertappt, dass man kurz nach dem jüngsten Kauf, nach dem nächsten Ding lechzt, sollte man etwas in sich gehen.

Mehr Wertschätzung für deinen Besitz

Durch eine tendenziell längere Lebensdauer deiner materiellen Besitztümer wirst du sie automatisch mehr wertschätzen. Genauso wie durch die geringeren Nutzungskosten:

Ein Shirt für 50€, das du über die Jahre 500 mal trägst ist effektiv günstiger als ein Shirt für 25€, das du nur 100 mal trägst.

Am Anfang mag es nicht besonders einleutchtend für uns sein, wieso wir nicht auch wertschätzen können, wenn wir viel von etwas haben. Und das ist richtig: man kann auch viel haben und diese Dinge wertschätzen.

In der Theorie.

In der Praxis sieht es aber meistens so aus, dass wir bei Überfluss, wenig Wertschätzung für etwas haben.

Ist es aber nicht ein irgendein Shirt, welches du aus dem Kleiderschrank holst, sondern DAS Shirt, oder zumindest irgendein Shirt, wirst du es automatisch mehr zu schätzen wissen.

Es verhält sich gleich, bei Anschaffungen jeglicher Art:

  • Wenn du für dein neues Smartphone eine Weile sparen musstest, wirst du die deutlich mehr Sorge tragen für deinen täglichen Begleiter.
  • Wenn Kinder ein besonderes Spielzeug haben, werden sie sich mit diesem beschäftigen. Haben sie hingegen Hunderte, landet alles meist nach wenigen Minuten in der Ecke und wird nicht mehr beachtet.
  • usw.

Ein niedrigeres Einkommen hat also nicht nur das Potential den Planeten zu schonen, sondern auch deine Psyche und nicht zuletzt deine Reserven an Lebenszeit. Du könntest also durchaus glücklicher sein, als jemand der sich für ein höheres Einkommen vollkommen verausgabt.

Wie wir niedrigem Einkommen mehr Toleranz geben können

Das Motto lautet:

Mehr Anerkennung für „normale“ Jobs

Es ist paradox, dass wir geringverdienende Jobs oft abschätzig betrachten, obwohl der größte Teil der Bevölkerung genau dieser Art Job nachgeht. Wir sollten beginnen uns das häufiger vor Augen zu führen. Genauso, wie die Tatsache, dass diese Job extrem wichtig für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind. Insbesondere (aber nicht ausschließlich) handwerkliche Berufe, bekommen häufig nicht mehr die Wertschätzung die sie verdienen. Vielleicht ist man nicht immer in der Stimmung oder man traut sich nicht richtig, aber ein paar anerkennende Worte sind eigentlich immer drin.

Wenn dir gerade etwas im Sinne von „Nette Worte höre ich in meinem Job auch nicht.“ durch den Kopf schossen, ist das der beste Beweis für diesen traurigen Umstand sein – und gerade dann solltest du beginnen anderen Anerkennung für Ihre Arbeit zu geben.

Ein schönes und doch sehr einfaches Mittel um unsere Gesellschaft wieder ein bisschen gerade zu rücken.

Wie man mit einem geringen Einkommen gut leben kann

Minimalismus

Nein, ich meine nicht, dass du 80% deiner Besitztümer loswerden sollst.

(Auch wenn das sehr befreiend sein kann, wie unzählige Leute feststellen konnten)

Aber es ist einfach eine Tatsache, dass wir viel zu viel Dinge ansammeln. Oftmals ohne eine Nutzen zu bringen. Das ist mit finanziellem Aufwand verbunden, der unser Leben teuer machen kann. Schaffen wir es hier uns zu reduzieren, kann das zur Folge haben mit dem selben „geringen“ Einkommen mehr Geld zur nutzbringenden Verfügung zu haben.

Ich selbst bin regelmäßig erstaunt, wie viel mehr Geld hängen bleibt, seit ich meine Besitztümer deutlich reduziert habe. Und innere Ruhe bringt es ebenfalls mit sich.

Lukas ist übrigens schon deutlich länger und auch deutlich mehr minimalistisch unterwegs als ich.

Ausgaben budgettieren und Buch führen

Ich weiß, dass dieser Punkt nicht sehr sexy ist, aber er ist wichtig.

Leider versäumt unser Bildungssystem uns einen guten Umgang mit Geld beizubringen. Es sei die Aufgabe der Erziehungsberechtigten heißt es oft. Aber wenn die eigenen Eltern ebenfalls keine finanzielle Bildung genießen konnten sieht mager aus. Man könnte natürlich versuchen die Schuld weitere Generation zurückweisen, was aber zwecklos ist und gar nichts bringt (das erinnert mich an einen Talk von Alan Watts den Lukas in einem Artikel behandelt hat).

Es ist also notwendig, seine finanziellen Fähigkeiten selbst zu verbessern. Die einfachste Methode hierfür ist das simple Haushalten.

Es gibt unzählige Methode Buch zuführen (Notizbuch, App, Excel-Tabelle, usw.). Manche sind sehr bequem in der Benutzung.

Falls du dies nicht möchtest, solltest du aber auf jeden Fall eine Übersicht aufstellen deiner monatlichen Kostenpunkte aufstellen, denn:

Am Ende des Tages ist es eine einfache Gleichung, die es anzustreben gilt:

Einnahmen > Ausgaben

Bedingungsloses Grundeinkommen

Wenn du auch diesen Punkt kommen hast sehen, wirds langsam etwas unheimlich.

Jedenfalls: Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist alt, aber hat sich noch nirgends so richtig durchgesetzt. Obwohl die Studien zu diesem Thema sehr vielversprechend sind.

Die gängige Meinung, dass Menschen, die es erhalten zu Säufern und Tagedieben verkommen, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. Die Ausgaben für Rauschmittel ist in den Versuchsreihen bei den Teilnehmern sogar zurückgegangen.

Außerdem würde ein bedingungsloses Grundeinkommen, verschiedene Sozialleistungen ablösen, die ja bereits schon bestehen und den Staat Geld kosten. Es wäre also einfach eine neue Verwendung dieser Gelder.

Den Mehraufwand der entstehen würde, rechnet sich aber dennoch. Durch die vermehrten Kapazitäten für Innovation der Begünstigten und der Tatsache, dass die Gelder wieder in den Konsum zurückfließen und die Wirtschaft in Schwung halten. Wir werden auf dieses Thema noch in einem anderen Artikel genauer eingehen.

Aktuell haben wir diese Lösung jedenfalls noch nicht. Aber vielleicht kommt sie früher als wir denken.

Ich hoffe ich konnte dir einen ordentlichen Überblick über dieses Thema geben. Wie du siehst sind die Dinge nicht ganz einfach aber auch definitv nicht unveränderlich. Hab Mut dazu zu stehen, wenn du dein Leben mit einem durchschnittlich gesehen eher niedrigen Gehalt.

Und beinahe noch wichtiger: Urteile nicht über Leute, die niedrige Einkommen haben, denn das ist irrational – und gemein.

Anmerkung: ich möchte mit diesem Artikel nicht sagen, dass viele Jobs nicht höhere Gehälter verdienen, sondern schlicht, dass Geld nicht alles ist und wir oft genug für ein zufriedenes Leben haben.


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