Wie man Wertschätzung übt
Um Wertschätzung zu üben, muss man aktiv daran arbeiten. Es gibt verschiedene Methoden dies umzusetzen, allerdings muss man sich auch ständig daran erinnern. Am einfachsten ist es, sich bei den Gegenständen, die wir täglich benutzen, einen Moment inne zu halten und dankbar für diese zu sein. Allerdings fällt es einem auch immer leichter, je mehr man sich darin übt.
Mir persönlich ist es lange schwer gefallen, einen dankbaren Lebensstil zu führen, da ich immer das Gefühl hatte, dass es in meinem Leben nicht genug gibt, wofür man dankbar sein kann, aber ich lag noch nie so daneben.
Inzwischen bin ich mir sicher, dass wenn man sich aktiv damit auseinander setzt, dankbar zu sein, man an einem normalen Tag über Eintausend Dinge findet, für die man dankbar sein kann.
Das Problem ist meist nur, dass wir vieles für selbstverständlich nehmen und uns gar nicht im Klaren darüber sind, wie gut es uns geht und wofür wir alles dankbar sein könn(t)en.
Nehmen wir nun einmal einen ganz unscheinbaren durchschnittlichen Tag unter die Lupe.
Man wacht Morgens in seinem Bett auf:
– Wir wachen auf
– Wir haben ein Dach über dem Kopf
– Wir haben ein Bett (Decke und Kopfkissen)
– Wir sind gesund
Nun gehen wir ins Bad um uns frisch zu machen:
– Wir besitzen eine Zahnbürste und Zahnpasta
– Wir besitzen eine Toilette mit Wasserspülung und müssen unsere Notdurft nicht in ein Loch im Boden verrichten
– Wir haben fließend trinkbares Wasser
– Wir haben eine Dusche und diverse Hygiene-Artikel
Nun gehen wir frisch und sauber in die Küche und richten uns unsere Frühstück oder Vesper für die Arbeit:
– Wir haben Kaffee, Milch, Brot, Früchte, …
– Wir haben eine funktionierende Nase um den frischen Kaffee zu riechen
– Wir können uns aussuchen, was wir essen wollen, weil wir so eine große Auswahl an Lebensmitteln haben
Also machen wir uns endlich auf den Weg zur Arbeit oder Schule:
– Man hat ein Fahrrad, Auto, den öffentlichen Nahverkehr oder wir haben es so gut das wir zu Arbeit laufen können
– Wir haben die Möglichkeit Geld zu verdienen
Nach der Arbeit geht es in den wohlverdienten Feierabend:
– Wir haben Zeit, die wir so nutzen können, wie wir es wollen
– Wir können uns mit Freunden treffen
– Etwas anschauen
– Sport machen
– Unseren Hobbies nachgehen
Wenn sich der Tag dem Abend neigt:
– Essen wir etwas zu Abend
– Lesen ein Buch
– Trinken einen Tee oder ein Bierchen
Ich hoffe diese beispielhafte Auflistung zeigt wenigstens im Ansatz, wofür man dankbar sein kann und ich bin mir sicher, dass sie nur ein Bruchteil von dem nennt, wofür man im Alltag alles dankbar sein kann.
Das wichtige ist allerdings, dass man es sich so oft es geht, vor Augen hält, wofür man alles dankbar sein kann.
Sachen für selbstverständlich nehmen
Als ich in der Kasachischen Steppe unterwegs war, gab es häufiger die Situation, dass man für mehrere Tage nicht duschen konnte. Dieser Umstand in Kombination mit einem sehr heißen Klima, der regelmäßigen Sonnencreme-Salbung sowie der außerordentlich staubigen Luft, führte zu einer schwitzigen klebrigen dreckigen Schicht auf der Haut, die mehr als nur unangenehm war.
Nach einigen Tagen in der Steppe wünschte man sich nichts sehnlicher, als eine kalte erfrischende Dusche.
Ooooh Junge wenn es dann mal so weit war, dass man die Gelegenheit hatte zu duschen, hatte das rein garnichts mit einer normalen Standard-Dusche zuhause zu tun. Trotz dem deutlich besseren Ausbaustandard daheim.
Allein der Umstand der Dusche und der Fakt dass sie nicht immer dann verfügbar war, wenn man es wollte, zeigte mir, für wie selbstverständlich man Dinge nimmt.
Bevor ich zuhause in die Dusche gehe, versuche ich mich wieder in die Momente hineinzuversetzen, als ich mich richtig dreckig und schmutzig fühlte.
Ich versuche die Dusche bewusst zu genießen und wertzuschätzen.
Dies kannst du natürlich auf deutlich mehr Aspekte im Leben übertragen, als nur auf das Duschen.
Da es im fernen Osten keine so gut ausgeprägte Backkultur gibt, wie bei uns in Deutschland, haben ich und meine Freunde häufig davon geschwärmt, ein einfaches Laugenbrötchen oder eine Brezel zu essen.
Wenn man sich daran erinnert, wie sehr man gutes Gebäck vermisst hat, bevor man es isst kann man es auch deutlich stärker wertschätzen.
Das gleiche gilt für Kaffe, sein eigenes Bett, die Freunde die man zuhause hat, …
Häufig lernen wir Sachen erst schätzen, wenn wir sie nicht mehr haben. Haben wir sie dann allerdings wieder schätzen wir sie schnell wieder nicht mehr wert. Das wichtige hierbei ist es, dass wir uns so oft es geht vor Augen halten, dass es oft die alltäglichen Dinge sind für die wir dankbar sein sollten.
Für seine Erfahrungen dankbar sein
Am einfachsten ist es natürlich für positive Erfahrungen dankbar zu sein. Ob es ein schöner Abend mit Freunden war oder ob man einen guten Film gesehen hat.
Aus meiner eigenen Erfahrung kenne ich es aber viel zu gut, dass man diese Momente für selbstverständlich nimmt oder sie innerhalb weniger Tage oder Stunden schon wieder vergessen hat.
Auch hier kann man aktiv Dankbarkeit üben, indem man sich so oft es geht, an die durchlebten Situationen zurückerinnert und versucht jedes einzelne Detail, an das man sich erinnern kann, noch einmal vor Augen zu führen.
Ob es ein gutes Gespräch mit Freunden am Feuer war, ein Kompliment das man erhalten hat, oder einfach ein kühler schluck köstlichen Bieres an einem heißen Sommertag.
Es gibt viel wofür man dankbar sein kann, wenn man nur danach sucht.
Häufig widerfahren uns Situationen, die auf den ersten Blick kaum etwas positives bieten, was es für uns schwer macht für diese Erfahrungen dankbar zu sein.
Doch ich bin der Überzeugung, wenn wir nur gründlich genug suchen, können wir in jeder noch so dunklen und schlechten Erfahrung, etwas finden für das wir dankbar sein können.
Jeder mit dem schonmal Schluss gemacht wurde weiß, wie schmerzhaft die erste Zeit nach der Trennung sein kann. Man hat nicht mehr seine gewohnten Tagesabläufe, das was man zusammen aufgebaut hat, scheint für immer verloren und man stellt sich die Frage, ob man selbst nicht genug sei.
Allerdings bietet diese Situation auch ein riesiges Potential, schließlich muss man in einer Beziehung immer Kompromisse eingehen. Wenn man allerdings wieder alleine ist, muss man diese Kompromisse nicht mehr eingehen und man hat an sich mehr Zeit und Möglichkeiten, sich selbst zu finden und neu zu orientieren. Für diese Möglichkeit kann man beispielsweise defintiv dankbar sein.
Als ich noch jünger war und mehr Longboard gefahren bin, hat es mich natürlich ab und zu mal ordentlich hingelegt. Wieder eine Situation, die auf den ersten Blick nicht so wirkt, als wäre sie dafür besonders geeignet um Dankbarkeit zu üben.
Aber tatsächlich können wir einerseits auf vor den Unfall zurückblicken und dankbar dafür sein, wie gut unser Körper im Normalfall funktioniert und dass wir unseren Körper überhaupt in dem Maße benutzen können und nicht an ein Rollstuhl oder Bett gefesselt sind.
Wir können uns aber auch im Laufe des Heilungsprozesses daran erfreuen, wie der Körper mit etwas Essen und Trinken die Verletzung selbstständig repariert, ohne dass wir aktiv etwas dafür tun müssen.
Mich persönlich fasziniert es immer wieder, zu sehen wie eine Kruste aus Blut gebildet wird und unter dieser neue Haut wächst.
Natürlich ist es manchmal leichter manchmal schwerer einer Situation etwas dankbares ab zu gewinnen. Ich will auch nicht sagen das dankbar sein und glücklich sein immer das gleiche ist.
Aber ist es nicht etwas wunderschönes das etwas uns so fühlen lassen kann, schließlich gibt uns auch Traurigkeit das Gefühl am Leben zu sein. Sie lässt uns menschlich fühlen.
Wir fühlen nur jetzt die Trauer, weil wir davor etwas wirklich schönes gefühlt haben.
Es gibt keine Höhen ohne Tiefen und keine Tiefen ohne Höhen.
Dieses Thema habe ich in einer Rede von Alan Watts bereits behandelt. Falls du dich mehr dafür interessierst: schau doch einfach Alan Watts über Höhen und Tiefen.
Es ist allerdings auch wichtig, dass wir uns in Zeiten der Trauer nicht nur auf das Schlechte konzentrieren, denn es kann schnell passieren, dass wir einen selektiven Fokus entwickeln. Hier wäre nun das Problem, dass wenn man sich primär auf die negativen Dinge konzentriert die einem widerfahren, man sich kaum noch auf die Dinge konzentriert, für die man dankbar sein kann.
Es ist also völlig okay Trauer zu fühlen, sich ihr auch hinzugeben und ihr ein Gehör zu verschenke – wie in dem Zitat von Carl Gustav Jung die Frau in Schwarz. Allerdings sollten wir auch in der Trauer versuchen Dinge zu finden für die wir dankbar sind.
Kommen wir nochmal zum ursprünglichen Thema dieses Artikels zurück:
Dankbarkeit zu üben, ist eine langwierige aber belohnende Bemühung.
Anfangs fiel es mir auch deutlich schwieriger, aber so wie Sport mit der Zeit leichter wird oder man Fortschritte beim Lernen eines Instrumentes macht, so fällt es einem auch immer leichter dankbar zu sein, je mehr man sich darin übt.
Es hilft dabei sehr, nichts für selbstverständlich zu nehmen und ständig die Augen offenzuhalten was einem an diesem Tag gutes wiederfährt.
Dankbarkeit sollte so oft es geht geübt und vor allem gelebt werden.
Zum Schluss würde ich gerne darauf aufmerksam machen, dass wir hier in den westlichen Ländern sehr viele Privilegien haben. Essen aus dem Supermarkt, Wasser aus der Leitung, Frieden und Gesundheit. Diese Liste kann man natürlich noch viel weiter ausführen.
Es ist einfach wichtig zu realisieren, wie viel wir haben und wie gut es uns geht.
Es gibt viele Menschen auf der Welt, die gerne das hätten was du hast, das Leben das du führst.
Sei also Dankbar für das was du hast. Jeden Tag ein bisschen mehr. Du wirst es nicht bereuen.
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