Ein Vergleich zwischen Shackleton und Frankl
Alfred Lansings Buch Endurance Shackletons Incredible Voyage [zu deutsch: 635 Tage im Eis: Shackletons-Expedition] ist mit Abstand eines der besten Bücher, welches ich in den letzten Jahren lesen durfte. Nicht nur Thematik sondern auch Schreibweise überzeugen mit unglaublicher Authentizität.
Um die Geschichte grob zusammenzufassen aber nicht allzu viel vorweg zu nehmen werde ich die Einzelheiten nur spärlich beschreiben und mich eher auf das Konzentrieren worauf es uns auf unserem Blog mehr ankommt, die Philosophie des Ganzen. Denn was diese Leute vollbracht haben, beruht auf deutlich mehr als bloßem Glück.
Das Buch Endurance handelt von einer geplanten Trans-Antarktis Expedition, welche nie stattgefunden hat. Noch bevor Shackleton und seine Crew, bestehend aus 27 Mann, den südlichsten Kontinent erreichen konnten, blieben sie im Eis stecken. An diesem schicksalsreichen Tag begann das Abenteuer. Wie der Deutsche Titel bereits verrät, steckte die Mannschaft beinahe zwei Jahre an einem der Lebensfeindlichsten Orte der Welt fest. Ohne zu viel von der Geschichte zu verraten, stand das Schicksal der Besatzung der Endurance mehr als einmal nur auf Messers Schneide. Doch durch eine herausragende Führung, ausgezeichnete Zusammenarbeit, die Expertise, die die einzelnen Crew-Mitglieder auf ihren Gebieten mitbrachten und ein wenig Glück schafften sie es alle, mehr oder minder, heile aus der Geschichte herauszukommen.
Das alle die Geschichte überleben mag vorerst wie ein Spoiler wirken, allerdings wird dies bereits auf den ersten Seiten des Buches erwähnt. Doch auch wenn einem das Ende schon bekannt ist, so ist das Buch dennoch so fesselnd geschrieben, dass man es niemandem übel nehmen kann, wenn man es am liebsten in einer Sitzung durchlesen würde. Denn nicht nur ist die Erzählung an sich schon sachlich geschrieben, sondern auch von Tagebuch-Einträgen der Mannschaft durchzogen. Diese Tagebucheinträge sorgen dafür, dass man sich sowohl in das innere wie auch das gemeinschaftliche Leben der Männer hineinversetzen kann.
Von der generellen Frage, ob sie es lebendig aus dieser so prekären Situation raus schaffen werden, über die nie trocken werdenden Klamotten bis hin zur Problematik des Stuhlgangs auf kleinen Rettungsbooten bei wildem Seegang. Kaum eine Geschichte, die ich bisher gelesen habe, bietet einen so detaillierten Einblick in das Leben der Betroffenen.
Die Philosophie
Endurance ist zwar an und für sich kein Philosophie-Buch, doch ist es unbestreitbar, dass die Art wie Shackleton und seine Mannschaft es lebendig aus dieser Situation geschafft haben, nicht nur eine Frage der körperlichen, sondern auch der mentalen Verfassung war.
Beim Lesen kam ich häufig an den Punkt wo ich mir dachte, dass es für alle möglicherweise angenehmer gewesen wäre zu resignieren und sich dem so eindeutig scheinenden Schicksal hinzugeben. Doch auch wenn man dies vereinzelt in Tagebucheinträgen der Crew zu lesen kriegt, war doch die absolute Mehrheit von einer Art blindem Vertrauen, dass das schon alles irgendwie klappen wird.
Ich persönlich habe beim Lesen viele Parallelen zu Viktor E. Frankls Man’s Search for Meaning [zu deutsch: … Trotzdem Ja zum Leben sagen] gefunden. Auch wenn die Szenarien kaum unterschiedlicher sein könnten, so ist es doch das mentale Durchhaltevermögen, welches die Menschen durch selbst die schwersten Zeiten bringt. Frankls Buch handelt von seiner Zeit in den Konzentrationslagern der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs. Dies ist auch der größte Unterschied, den ich zwischen diesen beiden Büchern ausmachen konnte. Während Frankl den Menschen und seine dunkelsten Charakterzügen ausgeliefert war, so war Shackleton der unbarmherzigen und kalten Natur ausgesetzt.
Es ist allerdings die nicht enden wollende Zuversicht, wenn nicht sogar Freude der beiden auf die Aussicht, was danach kommen mag, was diese Bücher, zumindest für mich, so ähnlich macht. Frankl und Shackleton hätten zu jedem beliebigen Zeitpunkt aufgeben, ihr Schicksal akzeptieren und sterben können. Doch der innere Trieb der uns Menschen innewohnt, selbst in den schlechtesten Zeiten sogar Freude empfinden zu können, hat gesiegt.
Denn in beiden Büchern wird nicht nur geschildert, wie die jeweiligen Personen es lebendig aus der Sache herausschaffen. Die Bücher erzählen, wie die Personen in ihren jeweiligen Situationen Freude, Gemeinschaft und sogar Spaß erfahren konnten.
Es ist genau diese Philosophie, diese uns Menschen innewohnende Lust aufs Leben, welche in mir beim Lesen auf ein neues entfacht wurde. Denn häufig beschweren wir uns viel zu sehr über unsere alltäglichen Probleme, welche ehrlich gesagt seltenst auch nur im Ansatz Probleme sind. Es gilt, seinen Fokus mehr auf die positiven Aspekte des Lebens zu richten. Denn wenn ich eines durch diese zwei Bücher gelernt habe, dann das es einem in den besten Zeiten schlecht gehen und in den schlechtesten Zeiten gut gehen kann.