Schenke den Leuten ein Lächeln
Der schnellstmögliche Weg zu meinem aktuellen Job führt mich durch das Karlsruher Rotlichtviertel. Da ich eine eher zurückhaltende Persönlichkeit bin, fuhr ich anfangs mit Blick geradeaus gerichtet durch die Straße. Vor allem morgens ist die Straße mehr als ausgestorben, man sieht lediglich vereinzelt in den Fenstern Damen sitzen. Nachmittags, wenn ich von der Arbeit nach Hause fahre, sieht dies schon ganz anders aus. Gerade bei gutem Wetter ist die Straße dann sehr belebt und es herrscht ein buntes Treiben vor den Fenstern.
Wenn ich dann ab und zu Nachmittags Blickkontakt mit einer der Damen machte, schaute ich meist sehr schnell beschämt weg. Bei genauerer Überlegung, fiel mir allerdings auf, dass dies sehr erniedrigend sein muss. Ich fasste also den Entschluss, dass ich ab sofort, sollte ich Blickkontakt mit einer der Frauen haben, ihnen ab jetzt zulächeln würde. Schließlich verdient jeder, dass man sie oder ihn mit einer menschlichen Freundlichkeit behandelt.
Natürlich ging mir auch der Gedanke durch den Kopf, dass das Lächeln in diesem Fall leicht fehlinterpretiert werden könnte. Nichtsdestotrotz versuchte ich die kommenden Wochen an meinem Plan festzuhalten. Da ich immer noch meistens einfach nur geradeaus schaue, während ich durch die Straße fahre, ergibt sich das Anlächeln nicht so oft.
Eine der Frauen, die anscheinend ziemlich genau den gleichen Schichtplan haben muss wie ich, macht hier die Ausnahme. Beinahe jeden Morgen sitzt die gute Dame auf dem gleichen Stuhl im gleichen Fenster, nur an wenigen Tagen ist sie dort nicht anzutreffen. Sie lächelt mir immer, wenn ich vorbei fahre zu. Hierbei ist es aber wichtig zu erwähnen, dass auch ihr Lächeln leicht fehl zu interpretieren wäre, allerdings bin ich mir sicher, dass auch sie lediglich ein freundliches, auf gegenseitigem Respekt begründetes Lächeln nutzt. Seit wenigen Wochen hat sie sogar angefangen zu winken, wenn ich vorbei fahre. Ihr Winken beantworte ich meistens mit einem „Peace-Zeichen“, welches ich deutlich lässiger als Winken finde.
Der eigentliche Kern, den ich mit dieser Geschichte aufzeigen will, ist, dass dieser Abschnitt meines Arbeitsweges immer etwas sonderbar war. Ich war meistens froh, wenn ich diesen Part hinter mir hatte. Inzwischen habe ich meinen Spaß, wenn mir mal wieder aus den Fenstern gewunken wird, und das nicht weil jemand mein Geld will, sondern lediglich aus Menschlichkeit und Anstand.
Wenn ich auch schon davor der Meinung war, dann bin ich es jetzt umso mehr, dass ein jeder Mensch es verdient, dass man nett und sympatisch behandelt wird. Im Alltag verdient fast jeder ein nettes herzliches Lächeln.
Was ist deine Meinung zu diesem Thema, hast du schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Gab es auch Situationen, in denen du dich unwohl gefühlt hast und dann, als du das Ruder in die Hand genommen hast, sich die Situation fast vollkommen verändert hat? Dann teile diese Erfahrungen oder deine Meinung einfach mit uns in den Kommentaren.