Über Kants kopernikanische Wende: Alles was du wissen musst
Die kopernikanische Wende in der Philosophie, von der Kant sagte er habe sie initiiert, stellt tatsächlich einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte des menschlichen Denkens dar. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass unser Verständnis der Welt nicht ausschließlich durch die Welt selbst geformt wird, sondern auch durch die Art und Weise, wie wir sie wahrnehmen und interpretieren.
Diese Wende bezieht sich auf die Umwälzung des astronomischen Weltbildes durch Nikolaus Kopernikus, der das geozentrische durch das heliozentrische Weltbild ersetzte. Also das Ersetzen des “Die Welt steht im Mittelpunkt des Universums” durch “Die Sonne steht im Mittelpunkt des Universums”. In ähnlicher Weise verlagerte Kant den Schwerpunkt von der Annahme, dass unsere Erkenntnis sich passiv den Dingen anpasst, hin zur Vorstellung, dass unsere Wahrnehmung und unser Verstand die Art und Weise, wie wir die Welt verstehen, aktiv mitgestalten.
Dieser Gedankte lässt sich beispielsweise durch das Beispiel der Farbwahrnehmung gut illustrieren: Ein Objekt, das wir als grün wahrnehmen, ist nicht an sich grün, sondern hat Eigenschaften, die es uns unter bestimmten Bedingungen als grün erscheinen lassen. Die Farbe Grün existiert also nicht unabhängig von einem wahrnehmenden Subjekt. Dies führt zu dem Schluss, dass unsere Wahrnehmung die Welt nicht nur abbildet, sondern auch interpretiert und konstruiert.
Auf die gleiche Weise löste Alan Watts in einem seiner Seminare die uralte Frage, ob ein im Wald umstürzender Baum ein Geräusch macht, wenn niemand da ist der es hören könnte. Er erklärte, dass er kein Geräusch mache, da das, was wir als Geräusch verstehen, nicht unabhängig von einem Empfänger existiert. Der Baum erzeugt zwar physikalische Schallwellen, aber das Geräusch als solches entsteht erst durch die Wahrnehmung eines Zuhörers.
Spannend ist hier auch, dass sich diese Art der Abhängigkeit auch in diversen fernöstlichen Philosophien, wie dem Hinduismus und Buddhismus, findet.
Im Hinduismus ist das Konzept, dass der Mensch nicht vom Universum getrennt ist, sondern ein Weg für das Universum ist, sich selbst zu erfahren, tief in seiner Philosophie verwurzelt, insbesondere im Konzept des Brahman. Ein passendes Zitat aus den Upanishaden, den alten hinduistischen Schriften, spiegelt diese Idee wider:
Diese tiefgründige Aussage aus der Chandogya Upanishad ist einer der Mahāvākyas (heißt soviel wie “Große Sprüche”) der Hindu-Philosophie. Sie besagt, dass sich das individuelle Selbst (Atman) nicht von Brahman, der ultimativen Realität oder dem universellen Bewusstsein, unterscheidet. Dieses Konzept besagt, dass alles im Universum, einschließlich der Menschen, ein Ausdruck derselben einzigartigen Realität ist.
Im Buddhismus ist die Idee der Verbundenheit und der Nicht-Trennung des Individuums vom Universum ebenfalls zentral. Ein repräsentatives Zitat aus den buddhistischen Texten, das diese Essenz einfängt, findet sich in den Lehren des Buddha:
Auch wenn dieses Zitat nicht ausdrücklich besagt, dass der Mensch ein Weg für das Universum ist, sich selbst zu erfahren, unterstreicht es die buddhistische Lehre der Verbundenheit und das Konzept von Sunyata (Leerheit), das besagt, dass alle Phänomene voneinander abhängig sind und keine inhärente Existenz haben. Diese Sichtweise fördert das Verständnis, dass die Trennung zwischen dem Selbst und dem Universum ein Konstrukt des Geistes ist und in Wirklichkeit alles miteinander verbunden und Teil eines größeren Ganzen ist.
Aber zurück zu Kant, der übrigens als wichtigster deutscher Philosoph gilt (Quelle). Seine Sichtweise hat weitreichende Implikationen für unser Verständnis von Objektivität und Realität. Sie legt nahe, dass unsere Erkenntnisse nicht nur von den Eigenschaften der Objekte abhängen, sondern auch von den Strukturen unseres Verstandes und unserer Sinneswahrnehmung.
In diesem Sinne sind Raum und Zeit fundamentale Bestandteile unserer Erkenntnisstruktur. Sie sind nicht Eigenschaften der Dinge an sich, sondern Formen, in denen wir die Dinge wahrnehmen und ordnen. Kant argumentiert, dass Raum und Zeit notwendige Bedingungen jeder Erfahrung sind und somit a priori, also vor jeder konkreten Erfahrung, in unserem Verstand existieren.
Diese Erkenntnistheorie hat bedeutende Folgen für die Philosophie und die Wissenschaften. Sie führt zu einem neuen Verständnis von Wissenschaft, die nicht mehr als bloße Beschreibung der Realität angesehen wird, sondern als ein Prozess, in dem der menschliche Geist aktiv an der Konstruktion der Erkenntnis beteiligt ist. Dies bedeutet nicht, dass die Wissenschaft keine objektive Gültigkeit besitzt, sondern dass die Objektivität der Wissenschaft in den Strukturen unseres Verstandes verankert ist.
Kants kopernikanische Wende markiert somit den Übergang von einer eher passiven Auffassung von Erkenntnis, in der der Mensch als ein bloßer Empfänger von Eindrücken gesehen wird, zu einer aktiven Auffassung, in der der Mensch als Mitgestalter der wahrgenommenen Welt betrachtet wird. Diese Wende hat die Grundlagen der modernen Philosophie und Epistemologie nachhaltig geprägt und bildet die Basis für viele zeitgenössische Diskussionen über die Natur der Erkenntnis und die Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft.
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